Die Website ist ein Archiv für unser Projekt Das Brotbaum·regime.
Ein Archiv ist eine Sammlung.
Wir haben hier Informationen über das Projekt gesammelt.Und Informationen zu unserer Ausstellung.
Außerdem gibt es viele Informationen zu den Themen Wald und Kultur.
Projekt für ein sympathisches Zuhause
Unser Ansatz: Egoismus kann letztlich nicht mit Intelligenz gleichgesetzt werden.
Zwar kann am Anfang von Liebe Narzissmus stehen, aber authentische Liebe wird nur als solche erfahrbar, wenn sie sich Eigennutz und Selbstschutz entzieht.
Die Methode: Erinnern Sie sich an das hungrige Katzenjunge vor Ihrer Tür? Wir können daraus eine exemplarische Herangehensweise ableiten, die sich andauernde Phänomene durch [Sympathie] zunutze macht. Einige Indigene Völker der Amerikas glauben, dass die Spinne eine Art universelle Großmutter ist, die unbemerkt in der Ecke ihr Netz webt, bis sie gebraucht wird. Das betrifft speziell die Schwarze Witwe: Eine Schwarze Witwe im Eingang der Wohnung gilt als gutes Omen – sie ist ein Zeichen der Gastfreundschaft, mahnt aber gleichzeitig zur Vorsicht. Wenn Sie der Interpretation von Spinnen als Großmütter abgeneigt sind, dann versuchen Sie doch, sie sich als Fischer im Himmel vorzustellen. Vorsichtig breiten sie ihre Netze aus und warten geduldig auf fliegende Fische. Stellen Sie sich die Spinne als willkommenen kleinen Gast vor. Womit füttert man sie? Ihr eine große Auswahl von Fliegen und Maden anbieten zu können (manche Spinnen spannen ihre Netze am Boden, oder knapp darüber), gibt uns die Gelegenheit, auf ungewöhnliche Art [gastfreundlich] zu sein. Dies ist die wertvollste Form der [Freundlichkeit] – es ist leicht, [sich in andere einzufühlen], die einem selbst ähneln, stimmt's? Normalerweise würde man nicht sagen, dass Bakterien „verhungern“, aber ohne die richtige Nahrung im Haus würden sie mit Sicherheit sterben; und auch sie suchen Geborgenheit. Tatsächlich kann [Gastfreundschaft] gegenüber Bakterien dazu führen, dass müde, hungrige Fliegen angelockt werden, die – genau wie Sie – Unterschlupf suchen. Sollte jemand in Ihrer näheren Umgebung ein anderes Tier oder ein Knollengewächs töten, wie zum Beispiel eine Kartoffel, bitten Sie um ein Stück des Muskelgewebes. Einen Teil davon können Sie selbst verzehren und so Millionen von Bakterien ernähren, die in Ihrem Dickdarm leben. Verwahren Sie den Rest an einem Ort, an dem das Katzenjunge ihn nicht findet. Die Bakterien werden ihn ausfindig machen und bald darauf die Fliegen. Kakerlaken werden auch kommen. Heißen Sie sie willkommen, denn daran wird sich eine prächtige Art von Hundertfüßer anschließen. Obwohl diese Hundertfüßer bei Berührung Blasen auf der Haut hervorrufen können, sind sie nützlich, um die natürliche Balance in der Kakerlaken-Population aufrechtzuerhalten.
Eine wunderschöne Art bunt-schillernder, kobaltblauer Wespen wird ebenfalls von den größeren Kakerlaken angezogen werden. Warum also nicht gleich ein Wespennest anlegen? Wespen aller Art sind absolut faszinierend, zudem sind ihre Larven gut essbar, wenn man sie wie Nüsse röstet.
Sie werden feststellen, dass Ihre Fliegen von Salamandern, Eidechsen und Leguanen begleitet werden. (Leguane sind auch gut essbar, aber Vorsicht beim Verzehr von Salamandern wegen ihrer giftigen Haut). Grillen, die man in östlichen Teilen der Welt aufgrund ihrer lieblichen Klänge verehrt, werden der Spur des Salamander- und Eidechsen-Kots folgen. Ihr Zirpen wiederum wird Skorpione anlocken. Vielleicht überkommt Sie bei solchen Hausgästen zuerst ein etwas mulmiges Gefühl, aber kein Grund zur Sorge! Skorpione sind nicht aggressiv und wollen Menschen keinen Schaden zufügen. Die Tatsache, dass sie zu einer Gefahr werden können – was im Übrigen auch für romantische Partnerinnen oder Arbeitskolleginnen gilt – sorgt einfach dafür, dass man im Umgang mit ihnen vorsichtig bleibt.
Wenn Sie mit dem Abendessen fertig sind, legen Sie sämtliche Tischabfälle nach draußen, gleich vor die Haustür. Lassen Sie die Tür offen. Auf diese Art schmiss ich eines Abends praktisch eine Party mit mindestens 20 streunenden Hunden vor meiner Tür. Später jedoch, wenn die meisten Hunde wieder gegangen sind, bekommen Sie Besuch von Waschbären, Stinktieren, Opossums und Ratten. Versuchen Sie doch einmal, Blitzlichtfotos aufzunehmen, indem Sie eine Schnur von einer Kamera an ein Stück tote, gekochte Kuh oder Süßkartoffel binden. Nach einer Weile werden sich viele Ihrer neuen tierischen Bekannten derart an Sie gewöhnt haben, dass sie wie zu einem Teil Ihrer Familie werden. Sind das etwa die Eichhörnchen oder die Mäuse, die da in der Speisekammer rascheln? Sollen dem doch mal das Katzenjunge und ein paar Hunde nachgehen. Eines Tages entdeckte ich eine prächtige Königsnatter, die in der Speisekammer Unterschlupf gesucht hatte. Sie hatte keines der großen Stücke Fleisch angerührt, die ich dort aufgehängt hatte, stattdessen aber einige Mäuse gefressen, die sich meinen Camembert geteilt hatten. Am selben Tag hieß ich eine große Kolonie Fledermäuse in meinem Dachboden willkommen. Sie sind halb Engel, halb Dämon. Fledermäuse haben weder Läuse noch Flöhe, jedoch transportieren sie weitaus exotischere Lebensformen, die neben Cholera und Ruhr auch mit Tollwut assoziiert werden (ein seltsamer mikroskopisch kleiner Organismus, der in den Gehirnen von Säugetieren – einschließlich Menschen – lebt; angesichts dessen könnte man sich vorstellen, dass von allen Lebewesen der Tollwuterreger der Kunst am nächsten ist). Sollte Ihr Katzenjunges einmal eine Fledermaus fressen oder von einer gebissen werden, so sollten Sie es vielleicht an ein Nachbarskind verschenken. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Läuse – wenn Sie ein Dachfenster geöffnet halten, wird das natürlich nicht nur Fledermäusen, sondern auch Tauben Einlass gewähren. Sie sind es, die Ihr Zuhause, Ihre lebendige Infrastruktur, mit Läusen versorgen. Die Flöhe werden schon vorher eingetroffen sein – als natürliche Gefährten von Mäusen und Ratten.
Anmerkung der Übersetzerin Luzie Meyer: Der englische Begriff „sympathy“ (dt. „Sympathie“, „Mitgefühl“, „Verständnis“), den Durham im Originaltext verwendet, hat im Deutschen vielseitige Entsprechungen. Durhams Text zieht bewusst Verbindungen zwischen diesen scheinbar unterschiedlichen Bedeutungen: Der häufig in Wohnzeitschriften verwendete Begriff steht dort für „Freundlichkeit“ und für eine „geordnete“ oder „ästhetisch ansprechende“ Umgebung; bei Durham verweist er auch auf eine tiefere Beziehungsebene im Sinne von „Einfühlungsvermögen”, „Zugewandtheit”, „Offenheit”, „Hilfsbereitschaft", „Wohlwollen”, „Gastfreundschaft“ und „Mitgefühl”. In dieser Übersetzung wird mit eckigen Klammern darauf hingewiesen, wenn es sich bei einem Begriff um ein Äquivalent zu Durhams „sympathy” handelt.